DER RESTAURANT BLOG

Nr. 04/20 | 07.08.2020

ESSKAPADEN.BLOG

MINE – EIN ITALIENER AUS SANKT PETERSBURG IN BERLIN ?

Aram Mnatsakanov wird bisweilen der Jamie Oliver Russlands genannt. Auf jeden Fall ist er einer der erfolgreichsten Spitzenköche des Landes. 2016 dann der aufwendige Bau und später die Eröffnung des MINE in der Westberliner Meinekestrasse unter der Führung von Mikhail Mnatsakanov, seinem Sohn.

DAS ENTREE

Mit viel warmem Licht unter leuchtendroter Markise begrüßt uns das Mine schon von außen. Der Eindruck von Wärme und Romantik verstärkt sich beim Eintreten in den Gastraum voller Kerzenschein. Mikhail begrüßt seine Gäste, wann immer er kann, selbst mit ungespielter Freundlichkeit, ja fast Herzlichkeit – aber auch seine Mitarbeiter (überwiegend auch aus Sankt Petersburg) geben einem gleich das Gefühl, wirklich willkommen zu sein. Das macht den Unterschied.

FÜR DIE AUGEN

Am Tisch angekommen, wird erst das ganz besondere Ambiente sicht- und spürbar. Das Design wirkt wie ein Gesamtkunstwerk auf Augen & Seele: ein jahrhundertalter süditalienischer Palazzo voller Altersspuren und wundervoller Patina. Die Muster der Kassetten an den Decken scheinen viele Jahrzehnte und sogar einen Brand überstanden zu haben – so authentisch & majestätisch wirken sie. Die dunkel gehaltenen Wände wiederum spiegeln modernes Design in sattem Grün & Schwarz wieder, das dennoch den Charakter des italienischen Palazzo unterstreicht. Nicht das kitschig passend gemachte Übliche, sondern unterschiedliche, ja fast gegensätzliche Elemente, deren Zusammenwirken erst das beeindruckende Ganze ergeben. Das Werk eines Künstlers. Die separierte und nur von außen zugängliche Bar mit leuchtender Freskomalerei an der Decke & himmelblauen Bodenkacheln erzeugt bei mir nur „Schnappatmung“ – aber nicht zu vieler Drinks wegen. Ein Traum für Ihre kleine private Cocktailparty.

FÜR DEN GAUMEN

  • Das THUNFISCH-CARPACCIO mit Tomaten, Koriandergrün, eingelegtem Chili & Capperini lässt mich immer sofort bei südlicher Mittagshitze in einem italienischen Strandrestaurant sein und mir kulinarische Frische, Kühle & Würze in den Mund zaubern. Am besten mit geschlossenen Augen genießen.
  • Das VITELLO TONNATO hat nichts, aber auch gar nichts mit dem Standardgericht hunderter Trattorien zu tun: das Kalbsfilet ist hauchdünn & frisch, die cremige Sauce ein süchtig-machendes Geheimnis und oben drauf eine Scheibe von rohem Tuna! Sterne, wo seid Ihr?
  • My favourite: Gebratener WILDER BROCCOLI mit Basilikum-Hollandaise & Peccorino Romano. Das Anbraten des Broccoli verstärkt dessen Aromen, die von der Sauce & dem Käse wieder besänftig werden. Eine leichte, sämige Vorspeise. Nun zu den Hauptgerichten.
  • Auch die PASTA kommt jeweils als ganz besondere Creation – weit weg von allen üblichen Verdächtigen: ob Tortellini mit Burrata & Trüffel, Mafalde mit Entenragout oder Casarecci mit Königskrabben – Pasta, ja – aber nicht Basta!
  • Den SEEBARSCH mit Beurre Blanc, den OKTOPUS oder die LAMMKOTELETTS sowie diverse TRÜFFELGERICHTE überspringe ich, da ich jetzt einfach zu meinem absoluten Highlight für Männer komme (sorry Mädels, Ihr dürft mal kosten): das FIORENTINA RIB-EYE-STEAK ca. 1200 Gr. mit Rosmarin-Kartoffeln & Knoblauch für zwei Personen, das ein hungriger Mann aber auch (fast) alleine schafft. Molto macho. Und wenn Sie es nicht schaffen, es schmeckt zuhause aufgewärmt auch noch, wie ein Traumsteak schmecken sollte.
  • „Geht noch ein DESSERT?“ –  „Nope, aber ich schau mal auf die Karte.“ – „Don’t do it!“ Aber zu spät. Die einzige Frage bleibt: Luftige MERINGUES mit Passionsfrucht & Mango gefüllt – oder Hausgemachter SNICKERS mit Erdnusseis & Schokoladenmousse. Egal welche Wahl – Sie müssen noch einmal wiederkommen, um die andere Süßspeise zu genießen. Ich entscheide mich für das SNICKERS und sehe wieder einmal STERNE!  Da hilft nur ein Drink.
  • Ein SPITZENWEIN – aber nur ein, zwei Glas? Das gab’s früher nicht – doch CORAVIN macht’s möglich! Der Sommelier saugt eine Glasfüllung mittels einer Kanüle durch den Korken aus der Flasche – und schon haben Sie ein kleines Glas von einem großen Gewächs. Diese Show allabendlich zu erleben im Mine.

minerestaurant.de

FAZIT: meine Bestnote „1. Eine Reise wert!“

Gastro Talk

Reizthema Fernseh-Köche. Völlig in Ordnung, wenn Köche ihren Bekanntheitsgrad durch gelegentliche Auftritte im TV oder eigene Buchveröffentlichungen steigern, um mehr Gäste anzusprechen. Aber Chefs, die (fast) nur noch in Kochshows auftreten und sich gegenseitig „in die Pfanne hauen“ (der war gut, nicht?), vernachlässigen ihren eigentlichen Beruf: Kochen. Paul Bocuse war selten im Fernsehen.

Do’s & Dont’s

Liebe Gastronomen, macht Euch locker, wenn aus Eurer nationalen Küche bestimmte Gerichte (meist Nachspeisen) bei uns normalerweise nicht so gut ankommen. So sehr ich die asiatische und insbesonders die indische Küche liebe, viele begeisternde Desserts begegnen mir dort nicht. Show your national flavors – but allow international desserts!  Best of all cuisines.

Mein „Best Of“

Fisch kaufen, (fast) so frisch wie gerade gefangen und so vielfältig im Angebot, wie sonst nur auf & in den Märkten in Frankreich? Im FRISCHEPARADIES Berlin, Hamburg, Essen, Frankfurt & München. Dazu im KaDeWe Berlin und bei DALLMAYR in München. Bon appetit!

Vorschau

Im September geht’s mit dem ICE Sprinter nach MÜNCHEN zum PLATZL und drumherum – eine Gegend mit rekordverdächtiger Genuss- & Erlebnisdichte. Und zum Erholen wartet der Englische Garten grad vis a vis.  Pfüati.

Bewertungen: 1. Eine Reise wert 2. Ein Hochgenuss 3. Hat mir gefallen 4. Mixed Feelings 5. Hat mich enttäuscht 6. Mein „NoGo“