DER RESTAURANT BLOG

Nr. 08/20 | 21.12.2020

ESSKAPADEN.BLOG

SAINT TROPEZ, Mon Amour!

Im zweiten Teil der Saint-Tropez-Ausgabe nervt die immer hektische A8 von Nizza bis zur Abfahrt Le Muy. Aber schlagartig nach dem Einbiegen auf die Landstraße nach Saint-Maxime beginnt unser Urlaub: grüne Hügel mit Pinien & Zypressen säumen die Serpentinen. Fenster auf – und der hereinströmende Duft vom provenzalischen Paradies verzaubert alle Sinne. Arrivé!

SAINT TROPEZ

Ich liebe Südfrankreich. Nicht so sehr die zugebaute Küste zwischen Monaco, Nizza & Cannes, sondern eher das grüne Paradies DU VAR mit Saint Tropez als Sehnsuchtsort für Räuber und Romantiker. Nachdem Bardot, Delon & Co. Saint Tropez in den 60er Jahren zu ihrem Spielplatz der New Coolness erkoren hatten, eroberte der internationale Jetset dieses ehemals unschuldige Fischerdorf. Danach kamen die Geldwäscher & Steuerflüchtlinge und heute zertrampeln in jeder Saison Hunderttausende von Gesundheits-Sandalen mit hässlichen Socken die noch immer heiligen Gässchen und Strände. Aber durch all diese Schichten von Neureichen, Halbseidenen & Tagestouristen hindurch ist diese einmalige Mischung aus mediterraner Faszination und überkandideltem Lifestyle auch heute noch spürbar. Stilvolle Dekadenz am TAHITI BEACH.

CAFÉ DE PARIS

Ich sitze am berühmten Quai Suffren, dem „place to be“ für den „beauty contest“ der protzigsten Luxusyachten aus aller Herren (sorry: & Damen) Länder. Ich trage ein leuchtend orangefarbenes Leinenhemd mit kleinen gelben Blumen, eine beige Leinenhose, braune Wildlederslipper – und versuche (vergeblich) zu schauen wie Harrison Ford. Ich geniesse die kurze erfrischende Kühle des anbrechenden Julimorgens vor dem noch geschlossenen Café de Paris. Die Clubs haben die letzten Partyleichen ausgespuckt und der Wasserwagen der Stadtreinigung sprengt die Promenade mit kühlen Fontänen und spült die Reste der Nacht in die Abflüsse.

Der erste Kellner kommt an meinen Tisch und ich bestelle: „Café Croissant – c’est tout!“ Je weniger Worte – umso wichtiger der Klang. Der Duft meines stark gerösteten Kaffees und das tausendfache Zersplittern des perfekten Croissants am frühen Morgen lassen mich die Augen schliessen. Auch das Café de Paris bedient unzählige Sonnenanbeter & Schaulustige – allerdings ohne in jedem Guide als zwingendes & zwanghaftes Etappenziel jeder Tour heilig gesprochen zu werden, wie das benachbarte Café Sénéquier. Dort treffen Sie auf von Millionen von Touristen totgetrampelte „Geschichte“, während Sie im Paris das immer noch lebendige & coole Saint Tropez erleben können – wenn Sie antizyklisch vorgehen: nie in der Sommersonne draußen sitzen und auf die Yachten starren, sondern im Inneren einen Mittags- oder Abendtisch reservieren, oder – noch cooler, sich an die hollywoodartig überlange Bar setzen und (bitte) auf Französisch bestellen.

Die Karte voller Entrées, Pâtes, Poissons, Viandes & Desserts verspricht, was die Küche überraschenderweise hält. Aber noch interessanter ist die Atmosphäre. An den kleinen weißgedeckten Tischchen nehmen die nach neustem Chic gekleideten Damen der Gesellschaft & Models ihren Lunch oder ihr Dinner – während an der Bar die Yachteigner von vis-à-vis ihren mehr als perfekten Burger stilvoll mit einem Chateau Minuty Rosé runterspülen. Richtig Klasse ist das Café de Paris im November & Februar, wenn die Einheimischen Saint Tropez für sich haben – und Sie (fast) dazugehören, wenn Sie wenigstens sagen können „Monsieur, un Tartare de Thon et une coupe de Champagne, s’il vous plaît“. Und Übung macht den Meister, vor allem im Schampus-Bestellen.   cafedeparis.fr

PLACE DES LICES

Jetzt ist es an der Zeit, den nahegelegenen wuseligen MARKT auf dem Place des Lices zu durchstöbern, auf dem der Pariser Musikmogul Eddy Barklay in den 70ern die Sommerabende mit seiner Boule-Bande voller Showstars veredelte. Heute finden Sie dort immer dienstags & samstags neben dem üblichen Nepp auch viele authentische Angebote aus der Region – wie die bekannten Sandales Tropéziennes. Aber unbedingt abends zurückkehren, wenn die Marktstände & Tagestouristen verschwunden sind und die Gruppen von Boule-Spielern den Place des Lices eingenommen haben. Ein wunderbarer Zeitvertreib für Mann & Frau, Jung & Alt, Arm & Reich – alle bunt durcheinander und solidarisch miteinander! Liberté, Egalité, Fraternité: Vive la France! Und zum letzten Schluck gehen Sie im Le Café ganz bis hinten durch – an den ältesten Bartresen von Saint Tropez, dessen Beulen & Schrammen im Zink von vielen heftigen und deftigen Nächten erzählen.

RENATE

Für das Hauptereignis dieses Tages wartet „Renate“ mit ihrem Twingo auf mich. Die Geschichte von Renate sagt mehr über Saint Tropez, als ich je erzählen könnte: als elegante Empfangskönigin einer großen Werbeagentur mit ihrem knallgelben Renault-Alpine-Flitzer vor der Tür war Renate in den 80ern eine lebenslustige und vom Leben verwöhnte Düsseldorferin, bis – ja bis zu ihrem ersten Urlaub in Saint Tropez. Innerhalb von Tagen wurde dieses mondän-rustikale Fischerdorf die Liebe ihres Lebens und Renate kehrte buchstäblich nie mehr nach Deutschland zurück. Keine Entbehrung, keine Mühe, keine Arbeit waren ihr zuviel, um ihren Traum von Saint Tropez zu leben – mittlerweile seit 35 Jahren. Eine auch in höherem Alter sehr elegante, sehr gepflegte Erscheinung und ein herzensguter Mensch – und schon lange eine Grand Dame Tropézienne. Und immer, wenn ich in Saint Tropez bin, fahren Renate & ich zum Tahiti Beach.

TAHITI BEACH

Im Gegensatz zu den meisten anderen Strandclubs & -restaurants in der romantischen Bucht von Pampelonne ist das Terrain des Tahiti Beach nicht bloß gepachtet, sondern 1952 von Felix Palmari erworben – und heute von seinem Sohn fortgeführt. Roger Vadim drehte dort 1957 „Und Immer Lockt Das Weib“ als eine cineastische Anbetung der von ihm entdeckten blutjungen BRIGITTE BARDOT, die später eine traumhafte Strandvilla nicht weit entfernt kaufte – auf die Gunther Sachs einst 1000 rote Rosen regnen lies (ja, auf die Villa UND die Bardot) und in der BB bis heute lebt. Auf die meisten anderen berühmten Beach Clubs gehe ich nicht ein, da die Gemeinde von Ramatuelle, zu der die Bucht gehört, vor wenigen Jahren alle Pächter & Locations platt gemacht und neue Verträge meistbietend vergeben hat. Grauslich kalt & kommerziell – Gemeindepolitik eben. Aber das Tahiti Beach blieb juristisch & romantisch unangetastet – bis heute. Logieren, Sonnen & Dinieren wie „Gott in Frankreich“!

Der Weg zum Tahiti & dessen Umgebung erinnern in der flimmernden Mittagshitze an die karge Landschaft eines Spaghetti-Westerns von Sergio Leone. In dem düsteren Salo(o)n empfängt uns aber nicht Clint Eastwood mit seinem durchdringenden Blick – sondern Patrick Palmari, der Sohn des Gründers, mit seinem gewinnenden Lächeln. Wir treten aus dem dunklen Restaurant ins Licht und – oh, WOW: lange, breitgefächerte Terrassentische mit orange-weiß gestreiften Stzpolstern, der feine Sandstrand, das blaue Meer und am Horizont einige Luxusyachten in sicherer Entfernung. Aloha Tahiti Beach!

Die sportlich professionelle Service-Crew begrüßt uns mit der unbeschwerten Freundlichkeit der heutigen Jugend – und mit zwei an der Südseebar perfekt gemixten Old-Cuban-Champagnercocktails. Das Essen ist sommerlich frisch, viel Salate & gegrillten Fisch – aber auch klasse Steaks & Burger – und die Qualität ist einfach phantastisch! Renate und ich hauen auf die Pauke: Bouteille de Champagne, Salade de Thon, Steak Frites und zum Happy End die unglaubliche PAVLOVA. Während wir in höchsten Genüssen schwelgen – erzählt Renate vom Leben & Lieben in Saint Tropez. Zu letzterem Thema beugt sie sich konspirativ zu mir herüber und flüstert mir zu, dass sie viele Jahre Felix, dem König von Pampelonne, in inniger Liebe verbunden war. Oh là là – Renate!  Aber das ist nun wirklich eine völlig andere Geschichte …              tahiti-beach.com 

FAZIT: Bestnote „1. Eine Reise wert!“

Gastro Talk

So sehr gerade Restaurants in dieser schrecklichen Pandemie leiden – einige finden aus der Not zu neuer Stärke: TAKE AWAY! Kleine Karte, besonders geeignete Gerichte, liebevoll zubereitet, pünktliches Timing und perfekt verpackt – ein neues, zusätzliches Geschäftsfeld, das bleiben wird.

Do’s & Dont’s

Zum zweitenmal zu nebenstehendem Thema: liebe Gastronomen, bitte bietet Take Away nur an, wenn ihr es ernst meint. Große Ankündigung auf Eurer Website – aber dann mal erreichbar sein und mal nicht – vergrault Kunden, während Eure professionelle Konkurrenz in diesen Zeiten wertvolle Kundenbindungen stärkt.

Mein „Best Of“

Und „Take Away“ zum Dritten: zwei Restaurants bieten besondere „State of the Art“ Online-Bestellsysteme: HENSSLER GO in Hamburg sowie STICKS’N’SUSHI in Berlin & anderswo. Online Gerichte auswählen, Abholzeit festlegen, per Karte bezahlen und bitte pünklich abholen (lassen). So geht Take Away!

Vorschau

Von eher bürgerlichem und weniger teuerem Urlaub an der Côte d’Azur – davon erzählt mein nächster Blog: „Monsieur Hulot in GIGARO“. Und sobald Reisen & Restaurantbesuche wieder möglich sein werden, beginnt die Abenteuerserie von ESSKAPADEN: relevante Restaurants, zum ersten Mal besucht, getestet & bewertet.

Bewertungen: 1. Eine Reise wert 2. Ein Hochgenuss 3. Hat mir gefallen 4. Mixed Feelings 5. Hat mich enttäuscht 6. Mein „NoGo“