DER RESTAURANT BLOG

Nr. 01/22 | 02.01.2022

ESSKAPADEN.BLOG

EASY DINING AT THE BAR – Geständnisse eines Barhockers

Haben Sie nicht auch manchmal die Nase gestrichen voll von zeitraubenden Restaurants mit weißen Tischdecken und Pinguinen, die nach Aperitif, Vorspeise, Zwischengericht, Hauptgericht, diversen Weinbegleitungen, Dessert, Espresso & Digestif fragen und deren hungrige Augen von einer Großfamilie erzählen, die ernährt werden muss? Von der Geliebten ganz zu schweigen! Und besonders schlimm kommt es, wenn der Sommelier die drei Kilo schwere Weinbibel anschleppt und die Ausbuchtung prüft, die die Brieftasche in Ihrem Jacket hinterlässt – oder die Farbe Ihrer Kreditkarte einschätzt: Silber ist armselig, Gold nichts besonderes, bei Platin wird der Maitre freundlich, aber erst bei der schwarzen AmEx trägt er Ihnen später sogar Ihre Tasche, Ihre Madame, oder beides, zum Taxi. Und bis Sie mit dem ganzen Programm durch sind, ist Ihr Konto mittlerweile so schlank, wie Ihr Körper schon lange nicht mehr ist! Ach, wie schön wäre es doch, jetzt ohne großes Getue in 45 Minuten einen kleinen Happen & einen guten Schluck zu genießen, um dann leicht und unbeschwert in den Abend zu starten! Easy Peasy. Wo? – Ja, wo?

Ich gestehe, ich bin ein notorischer Barhocker. Ich liebe Restaurant-Bars! Nicht die Abfüllstationen der „autonomen Alkoholiker“, die als Food nur versalzene Nüsse für den weiteren Durst servieren. Nein, ich meine Bars in der amerikanischen Tradition, wie Sie sie in jedem guten Restaurant der USA finden: mit kompletter Speise- und Getränkekarte, wie an den Tischen, nur eben Easy Peasy. Dort sitzen Single-Gäste (die schnell ins Gespräch kommen), Pärchen, die vorm Kino noch eine Kleinigkeit essen wollen – oder Romantiker mit Liebeskummer, die nur nicht zuhause allein sein wollen. Der Hocker macht locker! Los geht’s.

CECCONI’S Berlin, London & weltweit

My place to dine and place to wine – und manchmal auch ganz gern allein – ist die Bar des Cecconi’s im Soho House Hotel in Berlin. Reservieren geht nicht, also einfach rein und nach einem Platz an der Bar fragen. Am frühen und späteren Abend wartet immer Ihr Hocker auf Sie. Der (echt) italienische Barkeeper ist sehr freundlich, erkennt Sie wieder und begrüßt Sie wie ein Mitglied des Clubs der lässigen Barfreunde. Sie richten sich erstmal gemütlich auf Ihrem Hocker ein und stellen glücklich fest, wie erhaben Sie doch über den armen Gästen an den Flachtischen thronen. Lässig gibt Giacomo Ihnen Speise- & Getränkekarte und sein Blick sagt, schön, daß Sie hier sind – egal ob und was Sie bestellen. Erstmal ein Tunatartar mit einem Glas Ferrari Spumante. Bloß kein ganzes Menu bestellen – das machen nur die Spießer in der untersten Etage. Dann gesellt Alessandro sich zu seinem Kollegen, Sie quatschen – und schon bin ich eingebunden in ein herrlich unwichtiges Barpalaver. Manchmal lasse ich den Blick über die Köpfe unter mir schweifen und bin froh, daß ich da nie hocken muss und werde. Setzt sich eine charmante Dame allein an die Bar, werden Giacomo & Alessandro augenblicklich hellwach und erinnern sich an den verpflichtenden Ruf aller italienischer Männer und werden zu unwiderstehlichen Casanovas. Die Dame fühlt sich geschmeichelt, ich mich bestens unterhalten und Caruso müsste jetzt singen „Bella Italia“. Nach einer Stunde und zwei Ferrari bestelle ich jetzt die göttlichen Meatballs (die schon Don Vito Corleone im Paten aß) und dazu einen schweren Rosso nach Giacomo’s Wahl. Ich fühle mich beflügelt und mache mir ein paar Notizen für den nächsten Tag, was natürlich niemanden stört – since I’m just sittin‘ at the bar. Da meine beiden Barkeeper alle Getränke fürs Restaurant bereiten, sind sie immer genug beschäftigt ohne mich dauernd zu fragen zu müssen, ob ich noch was möchte – und ich kann insbesondere die Zubereitung der Cocktails durstfördernd beobachten. Zum Schluß sizilianische Cannoli, doppio Sambuca con la mosca – und Ciao, a la prossima!

BARFOOD – AUCH IN IHRER GEGEND!

Jetzt heißt es, ein bisschen suchen, ein bisschen kreativ sein – und schon haben Sie Ihren Platz gefunden: viele Restaurants haben Bars, aber wenige nutzen die – seien Sie Trendsetter! Versuchen Sie Barfood in erstklassigen Hotels. Oder reservieren Sie an Hochtischen. Sie erinnern sich – oben ist man frei & locker – nur in den Niederungen der Flachtische muss man gefangen, wie man nunmal ist, das ganze Programm über sich ergehen lassen. Hier ein paar kreative Beispiele.

SAITTA’S PRINZINGER in Düsseldorf-Oberkassel bietet Ihnen ein paar schöne Hochtische.

HENRIKS in Hamburg-Dammtor bietet eine lange Bar, viele Hochtische und eine süße kleine Loge für zwei.

DALLMAYR’S BAR & GRILL sowie SCHUMANN’S TAGESBAR in München sind perfekte Foodbars für „Bubbles & Bites“.

45 at FORTNUM & MASON London: a classy British Restaurant with a very long bar. Wenig Touristen, viele Londoner Business & Society People – and YOU.

Essen Sie in der FISCHKISTE in Timmendorfer Strand nur an der Bar!

Das CAFÉ de PARIS direkt am Yachthafen von Saint Tropez: mein Traum aller Barträume! Wenn im Sommer die Touristenhorden die Außentische bevölkern wie Maden Fleischreste in der Sonne, dann ist es im Lokal herrlich kühl, leer und sophisticated und der Barkeeper, der sonst nur für die Aussenschwärme Drinks schuftet, freut sich, endlich mal vor eigenen Gästen glänzen zu können. Win win.

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